Ablöse für Azubis im Handwerk???
Als ich von dem Vorschlag des Handwerkspräsidenten Hans Peter Wollseifer gelesen habe, der eine Ablöse für Azubis im Handwerk fordert, war ich ziemlich überrascht.
Ja, ich weiß, dass das Handwerk damit kämpft, überhaupt Azubis zu bekommen, da es einen Trend zum Studium gibt und viele Eltern und auch Lehrer das Handwerk für unattraktiv halten.
Sicherlich ist deshalb der Kampf um die wenigen Talente hart und es wird immer mal wieder zu Abwerbungen kommen.
Und Ja: Natürlich ist es ärgerlich, wenn ein fertig ausgebildeter junger Mensch dein Unternehmen verlässt.
Du hast schließlich viel Zeit und Geld, vermutlich auch Nerven investiert, um fähige Gesellen auszubilden.
Lt. einer aktuellen Kosten-Nutzen-Rechnung des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) betragen die Ausgaben pro Azubi und Jahr etwa 18.000 Euro. Gleichzeitig erwirtschaftet der Azubi rund 12.500 Euro. Damit kostet eine dreijährige Ausbildung also durchschnittlich mehr als 15.000 Euro.
Wenn dann Betriebe, die bewusst nicht ausbilden, lieber mit Prämien oder höheren Gehältern die fertigen Gesellen wegködern, tut das weh.
Doch macht eine Ablöseregelung für Azubis das Handwerk attraktiver für mögliche Ausbildungsinteressenten?
Wäre es nicht eher so, dass es abschrecken würde?
Die jungen Menschen müssten doch befürchten, dass sie schlimmstenfalls in einem Betrieb länger als nötig „feststecken“ würden, der vielleicht nicht zu ihnen und ihren Stärken, Wünschen und Vorstellungen passt.
Also lieber gleich in einer Branche die Ausbildung machen, wo es diese Gefahr nicht gibt…
Darum ist es aus meiner Sicht zielführender, sich Gedanken zu machen, wie man insgesamt die Attraktivität des Handwerks erhöhen kann (die Handwerkskammern haben hier bereits viele tolle Ansätze) und wie man noch viel mehr Betriebe dazu animieren kann, auszubilden.
Mehr Transparenz über die vielfältigen Förderungsmöglichkeiten (z.B. auch vom bibb – siehe Berufsbildungsbericht 2019) oder ggf. auch eine Ausgleichsumlagelösung könnten geeignete Maßnahmen sein.
Warum verlassen Azubis ihre Ausbildungsbetriebe überhaupt?
Es kann viele Gründe dafür geben, dass der Auszubildende Dich verlässt.
? Er möchte aus persönlichen Gründen an einem anderen Ort arbeiten oder einfach nur möglichst verschiedene Arbeitgeber kennenlernen
? Andere Arbeitgeber sind innovativer oder moderner
? Die neue Firma bietet bessere Aufstiegschancen oder
? eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
ein Studium wird aufgenommen
mehr Geld lockt
Vielleicht ist das Betriebsklima besser oder es wird einfach mehr geboten…
Du siehst – es gibt sehr verschiedene Gründe dafür, warum Azubis wechseln – die Frage ist: Kannst und willst Du etwas dagegen tun?
Was Du dagegen tun kannst, dass Deine Azubis Dich nach der Ausbildung verlassen
Mal ehrlich:
Glaubst Du nicht auch, dass ein Azubi, der
- sich während seiner/ihrer Ausbildung gut aufgehoben und betreut fühlt,
- mit Dir und seinen Kollegen überwiegend gut auskommt,
- sich während der Ausbildung wirklich weiterentwickeln kann,
- dem der gewählte Beruf Spaß macht und
- die Chance bekommt, bei euch einen für sie spannenden Job zu machen,
liebend gern bleiben oder ggf. später wiederkommen wird?
Wenn Du Dich aktiv um Deine Auszubildenden kümmerst, ihre Stärken förderst und ihnen Aufgaben gibst, an denen sie wachsen können, werden sie eine hohe Bindung an Dich und Dein Unternehmen haben.
Und bei wertschätzender, offener Kommunikation während der drei Jahre wird auch Vertrauen da sein, und er oder sie werden offen kommunizieren, wenn sie angeworben werden, anderswo mehr verdienen könnten oder mehr Aufstiegschancen hätten.
Dann hast Du zumindest die Chance zu entscheiden, ob Du sie unter den gewünschten Bedingungen halten möchtest und kannst.
Und wenn nicht, öffnest Du mit einem positiven Abgangsgespräch die Türen für eine Rückkehr.
Wie siehst Du das? Schreibe mir gerne in den Kommentaren deine Meinung zur Ablöse und lass uns diskutieren.